Veröffentlicht am Freitag 10. Oktober 2025
Ernte Champagne 2025
Kaum eine Zeit im Jahr ist für mich so inspirierend wie die Tage in der Champagne. Anfang Oktober, vier Wochen nach der Ernte, ein perfekter Zeitpunkt, um unsere Winzer zu besuchen. Die Lese ist getan, im Keller kehrt Ruhe ein, und sie atmen vor dem Jahresendgeschäft durch.
Fünf Tage war ich diesmal unterwegs – von der Côte des Blancs über Sézanne, Côte des Bar bis ins Vallée de la Marne und Montagne de Reims. Meine Station hatte ich wie fast immer in Reims. Ziel war es, Winzer zu treffen, mit denen wir teils schon viele Jahre zusammenarbeiten, über die Ernte zu reden, zu verkosten, anstehende Bestellungen zu finanzieren und z. T. einfach auch lieb gewonnene Freunde zu treffen.
Kurz zur Ernte: Mit der Ernte 2025 waren alle hinsichtlich der Qualität sehr zufrieden! Es könnte etwas Großes geben. Das sagen sie doch immer!? Nein, denn 2024 und 2023 waren herausfordernd und sind nur zum Teil sehr gut. 2025 war ein unkompliziertes Jahr ohne nennenswerte Frostschäden, Pilzerkrankungen und nur ganz wenig Sturm und Hagel. Es war allerdings etwas zu trocken. Die Ernte startete sehr früh (Ende August) und verlief sehr schnell, und es gab wenig zum Selektieren. Die Trauben waren reif und gesund.
Nur die Menge in 2025 war etwas zu gering. Die Appellation erlaubte eine Höchstmenge von 9 000 kg pro Hektar, was nicht besonders viel ist. Als die Trauben im Keller waren, waren viele Winzer doch etwas überrascht, dass es so wenig kg bzw. Liter Saft waren. Von den fast 20 Winzern, mit denen ich gesprochen habe, haben die Appellationsgrenze nur zwei erreicht (Rémi Leroy und Christian Gosset). Chardonnay fiel vom Ertrag her deutlich geringer aus als die beiden roten Sorten. Rémi und Christian, die das Maximum erreichen konnten, haben überwiegend Pinot Noir in den Weinbergen stehen. Der Grund für die geringeren Erträge ist, dass es in 2025 insgesamt etwas zu trocken war. Zudem waren 2023 und 2024 zwei sehr große Ernten (auch wenn 2024 am Ende nicht so groß ausfiel, da durch Frost, Hagel, Pilzerkrankungen etc. enorm viel über das Jahr verloren ging und zudem stark selektioniert werden musste). Die Reben sind mit biologischem Ansatz und ohne mineralische Dünger nicht in der Lage, immer so viele Trauben hervorzubringen.
Doch die Freude über den Jahrgang überwiegt! Es kommen Weine mit viel Spannung, Finesse und Charakter. Die Stimmung unter den Winzern ist gut!
Gestartet bin ich bei Stefan Régnault und Julien Lanois in Mesnil-sur-Oger an der Côte des Blancs. Praktisch ist, dass beide Winzer in der gleichen Straße sind. Spannend ist, dass sie sich stilistisch deutlich unterscheiden:
Stéfans Blanc de Blancs Champagner sind gradlinig, würzig, tiefgründig, manchmal etwas wild. Und sie lagern länger auf der Hefe. Er degorgiert seine Champagner erst nach fünf bis sieben Jahren. Das ist für einen jungen, äußerst ambitionierten Winzer ungewöhnlich. Die Geduld muss man erst mal haben. Stéfan hat das Gut seiner Eltern in den letzten Jahren deutlich entwickelt. Er verkauft nun keine Trauben mehr und produziert deutlich mehr eigenen Champagner. Das ist natürlich relativ. Jetzt füllt er pro Jahr um die 30 000 Flaschen. Gut für uns. Denn wir werden nun auch etwas größere Mengen importieren können.
Juliens Chardonnays sind zugänglich, kraftvoll und cremig. Die Etiketten und Holzkisten gestaltet seine Frau Sarah, deren Kunst ebenso kreativ wie ihre Champagner einzigartig ist – wer mehr über Sarahs Kunst erfahren möchte, hier entlang → Composition und Illustration sind wie immer große Klasse. Auch interessant ist sein Contraste, denn hier werden Meunier-Trauben aus dem Vallée de l’Ardre verarbeitet. Ende November werden wir Nachschub bekommen.
Weiter geht es in den Süden, ins Val du Petit Morin. Margot Laurent führt dort das Mikrogut Oudiette Fils. Nachdem ihre Familie immer allen Wein verkauft hat, hat sich Margot entschlossen, mit ihrer Schwester eigenen Champagner zu produzieren. Ihr Start ist großartig gelungen. Die Mengen sind noch äußerst klein. Es gibt nur wenige hundert Flaschen. Umso schöner, dass ich davon gleich 150 ins Auto laden und mitnehmen konnte. Von 2025 berichtet sie übrigens, dass die Trauben fantastisch waren. Bei ihr kommt aber noch dazu, dass der eh schon geringe Ertrag durch Sturm während der Blüte weiter reduziert wurde.
Zu Aurélie von Barrat-Masson geht es dann noch ein gutes Stück weiter in den Süden. Wir sind erst mal durch ihre Weinberge gezogen und haben dann das aktuelle Programm verkostet. Barrat-Masson ist der mit Abstand beste Winzer der Côte de Sézanne! Die Kollektion verbindet Eleganz und Energie und ist herausragend! Ich bin stolz, sie exklusiv im Programm zu haben. Herrlich ist, dass wir in diesem Jahr deutlich mehr Menge von ihr bekommen. Das kommt z. B. auch in unser spektakuläres Champagner-Abo. Zurzeit befindet sich in jeder ersten Edition eine Flasche Fleur de Craie. Mein Favorit beim Verkosten war diesmal übrigens Les Volies (je 50 % Chardonnay und Pinot Noir). Aber auch Margannes ist groß. Ich liebe einfach alles an Barrat-Masson.

Dann kurz zu Thomas Perseval. Thomas ist einer meiner absoluten Lieblingsmenschen in der Champagne. Aber er ist scheu! Ich kenne keinen anderen Winzer, der so zurückhaltend, scheu und bescheiden ist. Nur kurz, da ich ihn vorab mal wieder nicht erreicht habe. Das ist normal. Aber inzwischen fahre ich einfach hin, und er nimmt sich Zeit. Zudem habe ich keinen Grund zur Beschwerde. Wir erhalten im Verhältnis einen riesigen Teil seiner gerade mal 15 000 jährlich produzierten Flaschen. Die Lagenchampagner sind atemberaubend. Der Einstieg ins Sortiment – Art’Terre – ist beeindruckend. Thomas zählt zu unseren Top fünf der spannendsten Erzeuger.

Dann traf ich ein echtes Champagner-Traumpaar: Émeline de Slovere und Vincent Cuillier – zwei Erzeuger, zwei Handschriften, ein Zuhause, zwei gemeinsame kleine Kinder.
Émeline erzeugt elegante, sinnliche Champagner mit Charisma, während Vincent Charakterschampagner für Nerds hat – tief, eigenwillig und großartig. Es gäbe jetzt so viel zu erzählen. Beide sind innovativ und mutig. So verzichtet Émeline bereits seit zwei Jahren auf eine Folie und klebt auf ihre Flaschen per Hand lediglich einen Papierstreifen. Schick und ressourcenschonend. Beide probieren die ganz neue, mit 800 Gramm ultraleichte Champagnerflasche aus etc. Ende November gibt es Nachschub. Von Émeline kommen dann u. a. endlich wieder 75:25 und Psyche und von Vincent gleich zwei ganz neue Cuvées.

Nächste Station ist bei Vincent Bernard. Er arbeitet seit einigen Jahren mit Marie-Noëlle Ledru und hat einen Teil ihrer winzigen Weinbergsfläche übernehmen können. Ja, die Marie-Noëlle Ledru, die in der Champagne eine Legende ist und sich nach dem Jahrgang 2019 zur Ruhe gesetzt hat. Aber eigentlich stimmt das nicht. Sie ist immer noch agil und aktiv. Champagnermachen ist ihr Lebenselixier. So werden die Champagner von Vincent Bernard im Keller von Marie-Noëlle erzeugt. Sie machen das zusammen. Sie zeigte ihm, wie es geht, und hat alles im Auge. Vincent Bernard steht drauf, Marie-Noëlle und Vincent stecken drin. Ende November kommen die ersten Flaschen. Und im Moment noch erhalten wir von ihr im jeden Frühling rund 50 Flaschen, bis ihre alten Bestände in den nächsten Jahren mal erschöpft sein werden.

Die Champagner von Stéphan Fèvre haben wir noch relativ neu im Programm. Es geht also an die Côte des Bar. Also um 6 Uhr in Reims aufstehen und eineinhalb Stunden in den Süden fahren. Ja, was ich da mache, kann man auch Arbeit nennen. Nach einem Besuch im Weinberg verkosteten wir gemeinsam seine aktuellen Cuvées: Champagner mit Tiefgang, Klarheit und eigener Handschrift. Sein Vater hat die Trauben verkauft und schon vor vielen Jahren auf biologisch zertifizierten Anbau umgestellt. Fèvre hat vier größere Weinberge, die er immer getrennt ausbaut. Er kennt sein Terroir bereits genau. Daraus entstehen beeindruckende, im gebrauchten Holz ausgebaute Einzellagen-Champagner und eine Cuvée, in die die Weine aus allen Lagen einfließen: Composition. Von Fèvre wird man zukünftig noch viel hören.

30 Minuten entfernt ist das Weingut von Rémi Leroy. Gegensatz: Er baut fast alles im Edelstahl aus. Seine Champagner sind zugänglich, trocken, Pinot-Noir-geprägt und einfach noch richtig erschwinglich. Keiner, den man zu den Superstars zählt. Aber Champagner, die einfach richtig viel Freude bereiten und wo man von großem Glück sprechen kann, wenn man davon etwas auf einer Restaurantkarte oder einer Feier findet. Sein Extra Brut und Brut Nature sind zwei Champagner, die wir gefühlt schon immer im Programm haben und die wir wie alte Freunde sehr schätzen. Und welch ein unerwartetes Glück: Er lädt mich zum Mittagessen ein, ruft kurz an, und zehn Minuten später kommen seine Eltern aus dem Dorf mit bereits angerichteten Tellern mit vom Papa am Vortag selbst gesammelten Pilzen und Tomaten aus dem Garten vorbei. Brot, Käse, ein Glas Champagner. Sensationell!

Dann geht es wieder los in den Norden. Um 14 Uhr hole ich meine Zuteilung von 90 Flaschen bei Alexandre Filaine ab. Die Jahresproduktion liegt bei rund 3 000 Flaschen. Fabrice Gass ist die Person hinter Filaine und macht Champagner wie vor 100 Jahren. Der Mensch und seine Champagner – unfassbar charakterreich.

Danach habe ich noch etwas Zeit und fahre spontan zu Flavien Nowack. Flavien ist inzwischen ein Superstar in der Champagne. Der junge Mann ist inzwischen nicht mehr ganz jung, hat in den vergangenen Jahren wahnsinnig viel experimentiert, alles in seiner Produktion hinterfragt und zunehmend mehr seinen Stil gefestigt und auch stetig verbessert. Flavien nimmt sich spontan eine Stunde Zeit, wir schauen in seinen neuen Weinberg, trinken einen Kaffee und plaudern. Diese Besuche sind für uns äußerst wichtig, da bei einigen Winzern ständig andere Importeure aus Deutschland auf der Matte stehen und ins Geschäft kommen wollen. Doch die Zahl der Flaschen für Deutschland ist nicht groß, und wir müssen schon jetzt manche Cuvées zuteilen, da die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt.
Das war es denn für diesmal in der Champagne. Im nächsten Februar, April und Juli werde ich wieder dort sein. Ich freue mich schon.

Herzliche Grüße
Bernhard Meßmer
Champagner-Botschafter & Weinhändler des Jahres 2025
PS: Auf dem Rückweg fahre ich in Burrweiler, Pfalz, bei meinem Bruder vom VDP-Weingut Meßmer vorbei. Wir haben ausgemacht, dass wir die ganz neue Sektlinie verkosten. Die Sekte sind noch nicht auf dem Markt, und Martin hat sie mit seinem Betriebsleiter Jonas auch seit einem Jahr nicht mehr probiert. Der Stopp hat sich aus vielerlei Hinsicht gelohnt. Die Sekte sind überaus vielversprechend und kommen zum Teil im Mai nächsten Jahres. Ich werde berichten!