Champagner Stilistik

Veröffentlicht am Montag 20. April 2020

Champagner Stilistik

Ist Sekt genauso gut wie Champagner? Der Unterschied ist nur das Marketing!?

Bernhard Meßmer

Bernhard Meßmer

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Kann man das so sagen? Sicherlich nicht.

Champagner ist die älteste und glamouröseste Schaumweinregion mit der längsten Tradition. Doch dies muss sich natürlich nicht auf die Qualität und Einzigartigkeit auswirken. Vielmehr ist es die Gegend, in der Champagner produziert wird, die ihn deutlich von allen anderen Schaumweinen unterscheidet. Die Region Champagne liegt im Nordosten Frankreichs. Reims, das Zentrum der Region, befindet sich rund 150 KM östlich von Paris. Diese Lage wird von einem gemäßigt kühlen Klima mit vergleichsweise geringer Sonneneinstrahlung und kühlen Nächten geprägt. Und dies spiegelt sich sehr deutlich im Stil von Champagner wider. Dazu kommen die Einflüsse der Böden, die teils sehr deutlich von Kalk und Kreide geprägt sind. Nicht zuletzt tragen zum Charakter von Champagner die Anlage, Erziehung und Bearbeitung der Weinberge bei. Das Vorgehen und die Techniken zur Erzeugung im Keller sind dagegen eher allgemeingültig. Das bedeutet, dass wir diese auch bei vielen anderen nach Qualität strebenden Schaumweinerzeugern finden können.

Was man allerdings sagen kann ist, dass ein wirklich außerordentlich guter Sekt (so richtig viele gibt es davon leider nicht) hinsichtlich seiner qualitativen Merkmale mit einem guten Champagner (nicht aber mit einem außerordentlich guten) mithalten kann.

 

Was macht Champagner aus?

Champagner ist ein regionaler Schaumwein aus dem Nord-Osten Frankreichs. Beeinflusst wird er dort von Klima, Boden und der Arbeitsweise im Weinberg sowie im Keller. Hieraus entsteht ein Schaumwein, welcher sich deutlich von Schaumweinen anderer Gebiete unterscheidet.
 

Das Klima

Das Klima der Champagne ist im Vergleich zu anderen Gebieten wie CavaProsecco oder Franciacorta kühler. Die Tages- und Nachttemperaturen sind regelmäßig niedriger und die jahreszeitlichen Temperaturunterschiede fallen geringer aus. Mit etwas weniger als 1.700 Sonnenstunden pro Jahr befindet man sich in der Champagne an der unteren Grenze, bei welcher Weinbau noch möglich ist. Am Mittelmeer scheint die Sonne zum Vergleich bis zu 3.000 Stunden pro Jahr.
Die Menge an Niederschlag ist über das Jahr sehr gleichmäßig verteilt. Damit stehen den Reben in der Regel immer genügend Wasser zur Verfügung, um auch in trockenen Sommerphasen Stoffwechsel zu betreiben und die Trauben weiter ausreifen zu lassen. Allerdings können zu hohe Niederschläge von März bis Juli auftreten und enorme Schwierigkeiten durch Pilzerkrankungen verursachen, so dass die Erträge empfindlich reduziert werden können. Hinsichtlich dessen war 2021 ein ganz schwieriges Jahr. Besonders betroffen waren die Winzer im Vallée de la Marne und im westlichen Montagne de Reims. Besonders die Winzer, die biologisch arbeiten, mussten aufgrund der kürzer anhaltenden Wirksamkeit der zugelassenen Mittel teils dramatische Einbusen erleiden. Zu hohe Feuchtigkeit vor der Ernte kann zudem die Fäulnis begünstigen.
Jährlich ist auch immer wieder Niederschlag in Form von Hagel zu verzeichnen. Er kann lokal auftreten und gewaltige Schäden anrichten.
Fröste stellen ein Problem dar. Im Frühjahr führen sie in manchen Weinbergen fast regelmäßig dazu, dass Knospen erfrieren. Daraus können empfindliche Mengeneinbußen entstehen. Sehr kalte Winterfröste von -10°C und kälter können ganze Rebstöcke erfrieren und dauerhaft absterben lasen.

Die Klimaeinflüsse können für die Champagnerwinzer eine große Herausforderung darstellen. Zu beobachten ist aber auch, dass die Temperaturen in den letzten 20 Jahren gestiegen sind und in manchen Jahren deutlich über dem langjährigen Mittel liegen. Die Winzer müssen sich zukünftig auf ungleichmäßige und schwieriger vorhersehbare Bedingungen einstellen und darauf mit ihrer Arbeit im Weinberg reagieren.



In diesem Bild ist zu sehen, wie Winzer versuchen, sich gegen Frühjahrsfröste zu schützen. In den kältesten Nächten, in denen die Gefahr am größten ist, dass der Forst die jungen, zarten Austriebe erfrieren lässt, können mit Sprinkleranlagen Wasser ausgebracht werden. Beim Gefrieren des Wassers auf dem Rebholz kann die eisigste Kälte nicht mehr ins Innere durch den Eismantel durchdringen, so dass es bei den von Eis umgebenen Knospen ein wenig weniger kalt als in der Umgebung ist.
 

Die Böden

Kalk spielt bei den Böden der Champagne eine große Rolle. An der Côte des Blancs ist Kalk in Form von Kreide sehr nah an der Oberfläche zu finden. In der Montagne de Reims liegen die Kreidevorkommen etwas tiefer. Verwitterter Kalkstein mit Ton und Lehm findet man an der Côte des Bar. Und im Vallée de la Marne sind verstärkt Sand-, Mergel und Tonböden zu finden. Kreide kann sehr gut Wasser aufnehmen und in tieferen Schichten speichern. Dies führt dazu, dass es in den Weinbergen bei Nässe nicht zu feucht ist (weniger Pilzerkrankungen) und dass in trockenen Phasen Wasser in tieferen Schichten zur Verfügung steht.


Hier schaut Remi Leroy, ob seine Pflanzen von der Pilzerkrankung Mehltau befallen sind. Sehr schön zu sehen ist hier, wie der Weinbergsboden über und über mit Kalk aus dem Kimmerige-Zeitalter übersät ist.

 

Die Auswirkungen von Klima und Boden auf den Stil von Champagner

Die kühlen Nächte führen zu einer hohen Säure in den Grundweinen der Champagne. Säure ist für Schaumweine ein überaus positiver Aspekt, denn sie verleiht den Weinen Frische und Lebendigkeit. Andere Schaumweine fallen hinsichtlich ihrer Säure oft moderater aus.
Die geringe Sonneneinstrahlung und gemäßigten Temperaturen am Tag führen zu einer zurückhaltenden Primäraromatik (Aromen, die von den Trauben und der Gärung stammen), welche an Zitrusfrüchte, grüne Früchte, rote Beeren und Steinobst erinnern können. Wärmere Regionen bringen Aromen hervor, die an reifere Früchte sowie an tropische oder getrocknete Früchte erinnern. Somit unterscheidet sich Champagner im Aromenprofil von Schaumweinen aus wärmeren Regionen.
Ein weiterer Aspekt der niedrigeren Temperaturen durch die geringere Sonneneinstrahlung ist, dass es länger dauert, bis der gewünschte Zuckerwert in den Trauben erreicht wird. Die Zeit von der Blüte bis zur Ernte ist länger, als in wärmere Regionen. Und in dieser Zeit können sich die Aromen intensiv ausbilden und auch variantenreich werden.

Eine hohe direkte Sonneneinstrahlung führt bei Trauben unter anderem auch zu einer dickeren Haut. Dies hat zur Folge dazu, dass auch beim schonenden Pressen der Trauben mehr herbe und trocknende Substanzen gelöst werden. Trauben aus kühleren Regionen mit dünneren Häuten können Weine von höherer Klarheit, Frische und „Leichtigkeit“ hervorbringen.
Kalk- und Sandböden verliehen Weinen eine besondere Straffheit, Spannung, Frische und mitunter auch etwas Salzigkeit.

Somit unterscheidet sich guter Champagner, der mit einer hohen Qualitätspohilosophie erzeugt wird und nicht mit einer etwas höheren Süße maskiert ist, von Schaumweinen anderer Regionen.

Damit will ich aber nicht sagen, dass Champagner per se qualitativ besser ist. Auch andere Regionen und immer wieder auch qualitätsverliebte Winzer außerhalb klassischer Schaumweingebiete können sehr gute und hervorragende Schaumweine hervorbringen. Und natürlich können diese Schaumweine persönlich auch besser schmecken. Vielleicht gerade auch, wenn sie etwas weniger Säure, mehr Körper oder ein anderes Aromenprofil als Champagner haben.

Doch richtig guter Champagner hat aus meiner Sicht eine unerreichte Spannung, Frische und Dynamik. Er ist vielschichtig und langanhaltend. Aromatisch aber nicht zu üppig. Kann als Aperitif genossen werden oder aufgrund seiner unterschiedlichen Arten auch zu vielen Speisen ein perfekter Begleiter sein. Richtig guter Champagner belebt und macht nicht müde oder satt.

Wie unterscheidet ich Champagner von den anderen bekannten Schaumweinen?

 

  • Champagner und Cava
    Wer einen günstigeren Schaumwein mit deutlichen Noten von Brioche, Hefe, Haselnüssen oder Blüten sucht, ist mit einem guten Cava perfekt bedient. Im Gegensatz zu Champagner ist Cava etwas milder in der Säure, reifer im Aroma (reifes Steinobst, tropische Früchte, etc.) und körperreicher. In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass zahlreiche, oft kleinere Produzenten noch interessantere Cavas auf dem Markt bringen. So gibt es eine kleine Zahl von Winzern, die ihre Schaumweine nicht mehr als Cava auf den Markt bringen und die Gruppe Corpinnat gegründet haben.
     
  • Champagner und Prosecco
    Die Unterschiede von Champagner zu Prosecco sind sehr groß. Einerseits ist die Prosecco-Traube Glera im Gegensatz zu den Champagner Trauben sehr aromatisch. Holunderblüte, reife Birne und gelber Apfel sind ganz typische Noten für den Regionalwein Prosecco, der überwiegend im östlichen Venetien entsteht. Dafür wird man Autolysearomen in der Regel nicht finden, da Prosecco im Tankverfahren hergestellt wird und die Kontaktzeit und -fläche mit der Hefe zu kurz ist, um sich merkbar auszuwirken. Auch fällt Prosecco in den meisten Fällen süßer aus und trägt die Angabe „extra trocken“ auf dem Etikett, was verwirrend ist, da der Begriff „extra trocken“ deutlich mehr Süße als „brut“, „extra brut“ und „brut nature“ (knochentrocken) erlaubt. Die Alkoholwerte von Prosecco sind mit 11,5 bis 12,0 Vol.-% noch etwas geringer als bei Champagner, so dass die Schaumweine eine aromatische, frische, fast trockene, leichte und vor allem günstige Alternative zu Champagner sind.
     
  • Champagner und Crémant
    Crémant ist in seiner Stilistik uneinheitlicher, da Crémant in Frankreich (aber auch anderen europäischen Ländern) in zahlreichen Regionen aus unterschiedlichen Trauben, in unterschiedlichen Klimata und auf unterschiedlichen Böden angebaut wird. Im Elsass kommt z. B. vor allem die Rebsorte Pinot Blanc zum Einsatz. An der Loire ist es Chenin Blanc und im südlich gelegenen Limoux verwendet man überwiegend Chardonnay. Insgesamt sind die Crémant Bereiche meist wärmer als die Champagne und die Böden fallen oft weniger kalkreich aus. Damit unterscheiden sich die allermeisten Crémant von Champagner deutlich (weniger Frische und Finesse, mehr Frucht und Körper), auch wenn das gleiche Produktionsverfahren vorgeschrieben ist. Im Bereich von 15 bis 25 Euro pro Flasche sind aber viele sehr gute Crémant zu finden, die auf jeden Fall eine glänzende Alternative zu nicht so guten Champagnern sind.
     
  • Champagner und Franciacorta
    Franciacorta ist die aufstrebende Region für Qualitätsschaumwein im Nordwesten Italiens. Das Verfahren ist das gleiche wie bei der Herstellung von Champagner. Man hat sich sogar ein noch strengeres Regelwerk auferlegt. Auch zwei der Rebsorten (Chardonnay und Pinot Noir) entsprechen denen der Champagne. Die Qualitäten von Franciacorta sind sehr beachtlich. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es diesen Schaumwein vor 100 Jahren noch gar nicht gab. Franciacorta kann eine große Zukunft haben, falls es in der Region durch den Klimawandel nicht zu warm wird. Das Klima ist merklich wärmer als in der Champagne. Damit sind Franciacorta etwas fruchtbetonter, körperreicher und milder in ihrer Säure. Somit kommt es auf den persönlichen Geschmack an, ob man den einen oder anderen Schaumwein bevorzugt. Am besten pickt man sich aber einfach seine Favoriten aus beiden Regionen heraus.
     
  • Champagner und Sekt
    Dieser Vergleich ist äußerst schwierig, da Sekt sehr unterschiedlich ausfallen kann. Sekt kann im Tankverfahren oder auch mit der traditionellen Flaschengärung erzeugt werden. Es gibt auch eine „Mischform“, die sich Flaschengärung (ohne „traditionelle“) nennt. Die Trauben bzw. Grundweine für Sekt können auch aus Ländern außerhalb Deutschlands kommen. Falls „Deutscher Sekt“ auf dem Etikett steht, ist dies dann nicht mehr möglich. Sekt bekommt man bereits unter fünf Euro pro 0,75 Liter Flasche. Spitzenprodukte kosten aber auch schon mal über 50 Euro. Auf der einen Seite gibt es sehr große Massenproduzenten und auf der anderen Seite viele Winzer, die in erster Linie Stillwein sowie etwas Sekt produzieren. Und dann gibt es such noch eine sehr kleine, aber wachsende Zahl von Spezialisten, die sich dem Spitzensekt verschrieben haben. Diese Spitzensekte aus den Rebsorten Chardonnay, Spätburgunder, Weißburgunder aber auch Riesling können dann sehr wohl überzeugen und manchmal auch begeistern. Für diese Produkte wird man in der Regel ab 20 Euro ausgeben müssen. Insgesamt besteht im Bereich Sekt sehr viel Dynamik. In den nächsten Jahren werden mit Sicherheit eine große Zahl neuer Erzeuger und Spitzensekte auf sich aufmerksam machen.
Es ist die Gegend, in der Champagner produziert wird, die ihn deutlich von allen anderen Schaumweinen unterscheidet. 

Fazit

Großartiger Schaumwein ist ein herrlicher Wein, der in seiner Güte den besten Weiß- und auch Rotweinen der Welt nicht nachsteht. Sehr gute Schaumweine findet man neben einfacher Massenware in allen Weinregionen der Welt. Wirklich guter Champagner nimmt immer noch eine Sonderstellung ein. Klima, Boden und Vorgehen im Weinberg sorgen dafür, dass Champagner ausgenommen frisch, dynamisch und spannungsgeladen, aromatisch und kraftvoll, dabei aber auch kühl, elegant und sehr fein wirken kann. Genau diese Attribute treffen hin und wieder auch auf wenige herausragenden Schaumweinen außerhalb der Champagne zu. Genauso trifft es zu, dass ein großer Teil der Champagner Produktion nicht als wirklich gut bezeichnet werden kann. Darüber hinaus unterscheiden sich die Schaumweine anderer großer Regionen in ihrer Stilistik teils deutlich von Champagner. Und dieser Unterschied kann es hinsichtlich des persönlichen Geschmacks aber auch ausmachen, andere Schaumweine gegenüber Champagner vorzuziehen.

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